Warum Hunde leicht zu Wilderern werden. 12.02.2015
Kreuth - Es war kein Wolf. Zwei streunende Hunde haben die Hirschkuh in Kreuth gerissen. Diese Tatsache beunruhigt viele nicht minder. Wo kamen die Tiere her? Eine Spurensuche.
Mehrere wildernde Hunde, die eine ausgewachsene Rothirschkuh jagen und reißen: Kreisjagdberater Tobias Hupfauer kann sich nicht erinnern, jemals von so einem Fall im Landkreis gehört zu haben. Aber genau das ist vor gut drei Wochen passiert. Dass es sich um herrenlose Streuner handelt, kann Revierjäger Hupfauer ausschließen: „So etwas gibt es in unseren Breiten nicht.“ Auch Jagdhunde eines Jägers schließt Hupfauer als Schuldige kategorisch aus. „Ich kenne den Jäger. Er selbst hat das Tier gefunden und den Fall gemeldet.“ Nur wessen Hunde waren es dann?
Wie berichtet, fand besagter Jäger am 23. Januar die tote Hirschkuh in seinem Gebiet. Genauer Tatort: Gemeindegebiet Kreuth, Höhe Bayerwald, Richtung Albertsbach. Das Tier starb keines natürlichen Todes. Es wurde gerissen. Der Kadaver war mit Bissspuren übersäht – die von einem größeren Tier stammen müssen. Sofort stand der Wolfsverdacht im Raum. Die Almbauern waren alarmiert. Erst die Landesanstalt für Umwelt konnte diesen Verdacht per DNA-Analyse entkräften (wir berichteten).
Paul Knott, stellvertretender Leiter der Wiesseer Polizei-Inspektion, weiß mehr: „Es müssen zwei größere Hunde gewesen sein.“ Das habe man anhand der Pfotenspuren im Schnee sehen können. Die Polizei Bad Wiessee ermittelt jetzt wegen der Straftat Jagdwilderei – macht sich aber keine großen Hoffnungen. „Ohne weitere Hinweise haben wir keine Chance.“ Man wisse ja nicht einmal, wie die Hunde aussehen und wann sie genau im Wald unterwegs waren.
Das weiß Andrea Straßer, Vorsitzende der Hundefreunde Oberland, auch nicht. Dafür kann sie sich gut vorstellen, wie die Wilderei zustande kam: „Jeder Hund wildert, wenn man ihn streunen lässt.“ Und genau das passiere leider viel zu oft, auch im Tegernseer Tal. „Ich weiß von Haltern, die ihren Hund morgens rauslassen und abends nach der Arbeit wieder ins Haus.“ Wer weiß, was die Tiere in der Zwischenzeit so treiben.
Auch Wanderer seien da oft zu arglos. Gerade mehrere Hunde ohne Leine im Wald laufen zu lassen ist eine potenzielle Gefahr. Zumal der Trend zur Mehrhundehaltung weiter steige. Und zu zweit macht das streunen umso mehr Spaß. Straßer fallen Skitourengeher als Beispiel ein. Mit den Tieren auf den Skiern durch den Winterwald: „Das ist romantisch.“ Nur könne man die Hunde dabei kaum an der Leine führen. Sie laufen frei, biegen um die nächste Ecke, nehmen eine Spur auf – und geben Gas.
„Oft werden die großen Hunde auch nicht artgerecht gehalten“, ärgert sich Straßer. Sie weiß von großen Hunden, die ihr Dasein in einer Dreizimmerwohnung verbringen müssen. Da ist es eine willkommene Abwechslung, endlich mal rennen zu können, zum Beispiel bei einem Ausflug im Kreuther Bergwald. Der Maremmen-Abruzzen Schäferhund ist so ein Kandidat: bernhardinergroß, weiß, freundliches Aussehen, Modehund – aber eben alles andere als wohnungsgeeignet.
Die Expertin kann nur appellieren: Hundebesitzer müssten der Verantwortung gerecht werden, zu der sie sich mit der Anschaffung eines großen Hundes verpflichteten. Seit über 30 Jahren bildet Andrea Straßer Hunde und ihre Besitzer aus. „Aber ich höre immer wieder: Mein Hund tut so etwas nicht.“ Dann kann Straßer nur mit dem Kopf schütteln. „Die leben in einer Märchenwelt.“
Wildernde Hunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz.