Jagdpächter fordern mehr Schutz für Rehe. 23.07.2014
     Eine Rehmutter wurde vor wenigen Tagen im Jagdbogen Reichenbach von einem Hund gerissen. Die Jagdpächter fordern mehr Schutz für die Wildtiere.
      REICHENBACH. Ein wildernder Hund hat kürzlich in der Gemarkung des Lautertaler Ortsteils Reichenbach eine Rehmutter gerissen, deren Kitze nun verhungern müssen. Das Reh war von dem Hund so schwer verletzt worden, dass Jagdpächter Thomas Meyer es töten musste, um es von seinen Qualen zu erlösen. "Hundehalter und Hund sind bekannt", teilte Meyer mit. "Ich habe wegen Wilderei bei der Polizei und beim Ordnungsamt der Gemeinde Lautertal Anzeige erstattet", berichtete der Jagdpächter.
     Dies sei schon das zweite Reh, das in diesem Jahr von Hunden gerissen worden sei. Besonders tragisch sei, dass die Geiß ein prall mit Milch gefülltes Gesäuge hatte. Aus der Anzahl der angezogenen Zitzen schließt Meyer auf zwei Kitze.
     Die Dunkelziffer von gerissenem Wild liegt nach Einschätzung der Jäger höher. Auch Monika Müller und Richard Meckel, der Vorsitzende der Hegegemeinschaft Lautertal-Lindenfels, die mit Meyer zusammen Pächter des Reichenbacher Reviers sind, berichteten über Funde, die "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Opfer von freilaufenden Hunden waren". Aufgrund der teilweise bereits fortgeschrittenen Verwesung habe dies aber nicht einwandfrei zugeordnet werden konnten.
     Die Jagdpächter appellierten an die Lautertaler Kommunalpolitiker, eine Anleinpflicht für Hunde in Feld und Wald einzuführen, um derartige Tiertragödien zu verhindern. Die Zahl der Hundehalter, die während der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit der Tiere ihre Vierbeiner in Feld und Flur frei herumlaufen ließen, wachse ständig. "Leider reagieren Hundehalter nicht selten gereizt und aggressiv, wenn man sie sachlich und freundlich auf diese Problematik anspricht", berichtete Jagdpächter Thomas Meyer. "Offensichtlich erstreckt sich ihre Tierliebe nur auf den eigenen vierbeinigen Liebling." Das Tierschutzgesetz gelte jedoch auch für alle frei lebenden Tiere.
     Haltern drohen hohe Kosten
     "Nach der Hessischen Gefahrenabwehrverordnung über das Halten von Hunden werde jene Hunde, die andere Tiere hetzen oder reißen, grundsätzlich als gefährlich eingestuft", erläuterte Meyer. Der Vierbeiner müsse sich dann einem kostenpflichtigen Wesenstest unterziehen und dürfe in der Regel nur noch angeleint und mit Maulkorb ausgeführt werden. Zudem untersage das Hessische Jagdgesetz, Hunde in einem Jagdbezirk - also in Feld und Wald - unbeaufsichtigt laufen zu lassen. Verstöße könnten mit einem Bußgeld geahndet werden.
     Ferner müssten die Halter von wildernden Hunden damit rechnen, dass die Jäger Schadenersatz verlangen. Zudem können Autofahrer Regressansprüche stellen, wenn freilaufende Hunde Wild vor ihr Auto hetzten und dadurch einen Unfall verursachten, so Meyer weiter.
     Der Landesjagdverband hat den Reichenbacher Jagdpächtern auf Anfrage mitgeteilt, dass in Hessen jährlich mindestens 4000 bis 6000 Wildtiere Hunden zum Opfer fallen. Darunter seien 2000 bis 3000 Rehe, so Pressesprecher Dr. Klaus Röther. Die Dunkelziffer liege allerdings sehr hoch, weil sich Hundehalter meist rasch aus dem Staub machten, wenn ihr Vierbeiner ein Wildtier gerissen habe. Zudem fliehe verletztes Wild normalerweise in den dichten Wald. Dort würden die verendeten Tiere dann oft nur durch Zufall gefunden.
     37 Fälle in einem Jahr
     Allein im Bereich der Hegegemeinschaft Wiesbaden-Ost, die seit dem vergangenen Jahr alle Funde systematisch erfasst, fielen nach Dr. Röthers Angaben in einem Jahr 37 Rehe wildernden Hunden zum Opfer. Süd- und mittelhessische Reviere verzeichneten jährlich mehr als zehn bestialisch gerissene Rehe.
     In Hessen gibt es 224 Hegegemeinschaften und etwa 3800 Jagdreviere.
     Jäger haben grundsätzlich die Möglichkeit, freilaufende Hunde im Wald zu erschießen. "Laut einer Statistik des Umweltministeriums sind im vergangenen Jahr in ganz Hessen nur fünf Hunde getötet worden, die in flagranti ertappt wurden und auf andere Weise nicht mehr vom Reißen des Wildes abzuhalten waren", berichtete Röther. Wer den Abschuss von wildernden Hunden als letztes Mittel zur Rettung von Wildtieren ablehne, müsse eine wirkungsvolle Alternative vorlegen. Röther: "Es ist sehr merkwürdig, dass sich Tierfreunde über die Jäger empören, wenn diese - in ganz seltenen Fällen - Hunde töten, die hochträchtige Rehe und Rehmütter reißen. Sobald es um den Schutz der Wildtiere geht, stecken sie den Kopf in den Sand."
     Bei einem Treffen im Lautertaler Rathaus nach dem neuerlichen Vorfall haben die Jagdpächter zusammen mit Bürgermeister Jürgen Kaltwasser und dem Ordnungsamt den Ernst der Lage diskutiert und die Verwaltung auf ihre Pflicht hingewiesen, endlich im Rahmen der Gefahrenabwehr zu handeln. Nun sei die Gemeindeverwaltung am Zuge, betonte Jagdpächter Thomas Meyer.

     Wildernde Hunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz.