Zu schwach zum Fliehen. 08.05.2010
Wildernde Hunde haben im Kreis Lörrach in den vergangenen Monaten 17 Rehe gerissen.
LÖRRACH. Wildernde Hunde sind im Kreis Lörrach ein Problem: Vom Rhein bis ins Obere Wiesental berichten Land- und Forstwirte, Waldarbeiter und Spaziergänger von Hunden die Rehe hetzen. Die Bilanz im Kreisgebiet: 17 tot aufgefundene, durch wildernde Hunde gerissene Rehe haben die Leiter der sechs Hegeringe im Kreis in den vergangenen Monaten gemeldet, berichtet Horst Kramer von den Badischen Jägern Lörrach.
Normalerweise sind Rehe schneller als Hunde, doch durch den langen Winter sind sie geschwächt. "Ein gesundes Reh – da hat ein Hund keine Chance", erklärte Horst Kramer gegenüber der BZ. Hinzu kommt, dass die Geißen momentan trächtig und entsprechend langsamer sind. Wildtiere werden deshalb momentan besonders schnell Opfer von freilaufenden Hunden. "Mai, das ist die Hochzeit der Kinderstube in der Natur", sagt Kramer. Das bedeutet, dass Ende Mai und Anfang Juni wieder kleine Rehkitze zur Welt kommen, die zu schwach und langsam sind, um vor Hunden fliehen zu können.
Dabei ist es nicht nur der Biss des hetzenden Hundes, der Rehe und andere Wildtiere auf qualvolle Weise ins Jenseits befördert: Die Flucht des Wildes selbst birgt tödliche Gefahren – im Frühjahr sind die Energiereserven sehr knapp und die Flucht vor Hunden kostet wertvolle Reserven. Wenn das Futter knapp ist, können Reserven oft nicht wieder aufgefüllt werden und die Tiere werden langsam aber sicher immer schwächer und dadurch noch leichter Opfer von Hunden, beziehungsweise verhungern. In Todtnau können beispielsweise die Jäger ihre Abschusszahlen nicht mehr einhalten. Dort kommt noch erschwerend der Skibetrieb hinzu, durch den die Tiere zusätzlich gestresst werden und sich verstecken. So verlieren die Rehe Reserven – und werden somit wieder zur leichten Beute für Hunde.
Fliehende Tiere enden nicht selten auch in Zäunen, in denen sie sich schwer verletzen – oder auch vor dem nächsten Auto. So kann ein hetzender Hund sogar Menschenleben gefährden, zumindest aber Unfälle mit hohen Sachschäden verursachen. Die hierbei entstehenden Kosten hat der Hundehalter zu tragen. Darauf angesprochene Hundehalter, die mit frei laufenden Hunden in der Natur unterwegs sind, geben häufig zur Antwort, dass der Hund nicht jage, sondern nur spielen wolle.
Während das Lörracher Landratsamt keine Kenntnis über aktuell wildernde Hunde hat, bestätigt der Pressesprecher der Polizeidirektion Lörrach, Joachim Langangky, auf Nachfrage der Badischen Zeitung, dass dies wieder ein Problem sei. Erst vor zwei Wochen hätten Spaziergänger gemeldet, dass in Rötteln zwei Hunde Rehe jagen würden. Sofort fuhren Hundeführer der Polizei vor Ort und trafen tatsächlich die Hunde samt Halterin an. Die Frau wurde angezeigt.
Da Hunde ihren angeborenen Triebe nicht unterdrücken können, appellieren Tierschützer und Naturfreunde gleichermaßen an die Verantwortung und Aufsichtspflicht der Hundebesitzer: Hunde sollen in Wald und Feld an die Leine genommen werden. Hundehalter sollten sich aber auch möglicher Konsequenzen des Fehlverhaltens ihrer Vierbeiner bewusst sein: Es drohen Bußgelder und Schadenersatz. Dabei betont Horst Kramer, dass es nicht um den erhobenen Zeigefinger gehe oder Hundehalter gegängelt werden sollen.
Laut einschlägiger Gesetze müssen Hunde zumindest verlässlich im Einwirkungsbereich ihres Halters bleiben. Als Einwirkungsbereich gilt die Entfernung, auf die sich der Hund kontrollieren lässt und sich nicht vom Halter entfernt. Das kann bei gut ausgebildeten, gehorsamen Hunden auch ohne Leine sein. "Ein Hund, der auf das Wort folgt, braucht keine Leine", sagt Horst Kramer. Leinenpflicht ist nicht generell vorgeschrieben, kann aber in Naturschutzgebieten, Parks oder in von der Gemeinde ausgewiesenen Flächen behördlich verordnet sein.
Wildernde Hunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz.